Kopfleute - oder wie alles bereits normaler ist

Harro Engelmann • 19. April 2021

Kopfleute - oder wie alles bereits normaler ist

Neulich, da habe ich mich einmal wieder in einem Tag voller Terminen wiedergefunden. Ich hatte den ganzen Tag meine tollen Noice-Cancelling Kopfhörer auf, die es mir auch bei lauten Nebengeräuschen erlauben, mich voll und ganz auf meine Meetings zu konzentrieren. Irgendwann am Nachmittag nahm ich die Kopfhörer, genau in dem Moment wurde ich von meinem bald dreijährigen Sohn besucht. Er strahlte übers ganze Gesicht, zeigte auf die Kopfhörer, die sich auf meinem Schreibtisch befanden und sagte zufrieden: "Keine Kopfleute".


Ich war begeistert über das, was ich aus seiner Reaktion glaubte herauszulesen. Denn zum einen ist es für ihn bereits Teil seiner Lebensrealität, dass seine Eltern Video-Meetings haben und sich dabei mit Kopfhörern von der Außenwelt abschotten. Für ihn wird es in der Zukunft vollkommen normal sein, dass man nicht sich nicht in einem gemeinsamen örtlichen Raum befinden muss, um gemeinsam zu arbeiten. Es zeigte mir - bezogen auf das Stichwort Perspektiv-Wechsel - dass die Angst der Veränderung, die viele vor Corona bezogen auf Remote-work hatten, für eine folgende Generation, die nichts anderes kennt, gar keine Bedeutung hat. Aber das war nur die eine Seite.


Die andere Seite, aus der sich meine Begeisterung ergab, bestand in der Kreation des Wortes "Kopfleute". Noch immer bin ich gelinde gesagt fasziniert darüber, welche Dimensionen sich in diesem Begriff, verbunden mit der Rahmung  Remote-work und Kopfhörern/technischem Equipment verbinden.

"Kopfleute" - das können Leute im Kopf sein, das können Leute am/auf dem Kopf sein. Das können aber auch Leute sein, von denen man nur die Köpfe und den Bereich der Schultern sieht. Das sind sicherlich auch Leute, die gar keine unterschiedlichen Größen mehr haben, da sie alle auf das gleich große rechteckige oder quadratische Maß zurechtgeschrumpft werden, dass sich über Zoom oder Teams ergibt. Das sind auch Leute, die man nur über Sinnesorgane des Kopfes wahrnehmen kann. Sehen, hören und dann?!


Worauf möchte ich hinaus? Auf eine Bewusstmachung welche Dimensionen von Kommunikation sich in den Arbeitsalltag hinein- und hinausbewegen, wenn wir uns ausschließlich in Remote-Situationen befinden. Und das ist für einige Berufe auch für die Zukunft gar nicht so unwahrscheinlich. Dabei geht es mir auch nicht um ein Gut oder Schlecht. Um ein Verteufeln des Neuen oder des Alten. Es geht mir um die Bewusstmachung der sich verändernden Realität und deren Auswirkungen auf Formen und Wirkweisen von Kommunikation und Interaktion.


Ich selbst bin im übrigen ein großer Freund des Remote-work. Es erleichtert meinen Alltag. Es macht mir nichts aus, mit Kollegen an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten, die sich noch nicht einmal im gleichen Land befinden. Ich halte es sogar für einen großen Gewinn, da Wegzeiten und Reisezeiten entfallen, die sich ansonsten auf meine Produktivität auswirken würden. Aber das gilt für mich und es gibt mit Sicherheit auch andere Perspektiven.


Was bleibt also für das Ende dieses Posts zu sagen? Vielleicht einfach, dass wir die Freude am Zuhören nicht verlieren sollten. Denn hierüber können wir die Welt aus ganz vielen anderen Augen betrachten und selbst zu neuen Gedanken kommen. Ich bin schon gespannt, was es da noch alles zu entdecken gibt.

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